Regiosaatgut ist das Saatgut gebietseigener Wildpflanzen, also von Pflanzen, die in dem Gebiet in dem sie wachsen natürlicher Weise verbreitet sind. Nach seiner Vermehrung bei einem Landwirt findet es in der freien Landschaft in der Region Verwendung, aus der es gewonnen wurde. Wie eng diese Regelung der regionsgebundenen Sammlung, des Anbaus und der Verwendung gefasst sein sollte, hat die Leibniz-Universität Hannover im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes erforscht und für Deutschland 22 Ursprungsgebiete für Regiosaatgut definiert. Die Regionenkarte der Leibniz-Universität Hannover dient nunmehr als Grundlage zur Sammlung, zum Anbau und zum Einsatz von Regiosaatgut.
„Das Regiosaatgut- und Regiopflanzgut-Konzept wurde entwickelt, um den Einsatz von Wildpflanzenarten in ihrer gesamten genetischen Vielfalt zu fördern. Der Absicht nach handelt es sich um einen Kompromiss zwischen der derzeitigen Praxis der Pflanzenverwendung und der aus Sicht des Natur- und Artenschutzes wünschenswerten Verwendung von kleinräumiger gewonnenem Wildpflanzenmaterial.“
(Prof. Dr. Rüdiger Prasse, Leibniz Universität Hannover, 2018)
Weitere Informationen zu den Hintergründen des Regiosaatgut- und Regiopflanzgut-Konzeptes stellt die Leibniz-Universität Hannover zur Verfügung.
Warum brauchen wir Regiosaatgut?
Heutzutage werden in Deutschland jedes Jahr viele Millionen Pflanzen durch Ansaaten oder Pflanzungen in die Landschaft ausgebracht, zu denen auch gebietsfremde Pflanzen und Kulturformen heimischer Wildpflanzen zählen (Prof. Dr. Rüdiger Prasse, Leibniz Universität Hannover, 2018). Die Verbreitung gebietsfremder Pflanzen in der freien Landschaft steht im Widerspruch zum Übereinkommen über die biologischen Vielfalt, das mit seinen derzeit mehr als 190 Vertragsparteien gemäß Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit das umfassendste verbindliche internationale Abkommen im Bereich Naturschutz und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen ist. Die Vielfalt an den für unseren Landstrich typischen Lebensräumen soll erhalten bleiben und in jedem dieser Lebensräume sollen die Tier- und Pflanzenarten vorkommen, die ihn natürlicherweise prägen – und dies in der ganzen Bandbreite ihrer innerartlichen genetischen Vielfalt. Aus diesem Grund ist die Verwendung von gebietsfremdem Saatgut für Ansaaten in der freien Landschaft ab 2020 gesetzlich verboten (§ 40 (4) Bundesnaturschutzgesetz) und es wird alternativ zur Nutzung von Regiosaatgut geraten.
Regiosaatgut im aktiven Naturschutz
Das Interesse an regionalem Saatgut steigt aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Verwendung von Regiosaatgut bei Ansaaten in der freien Landschaft, aber auch aufgrund der Möglichkeiten, die regionales Saatgut zur Wiederaufwertung artenverarmter Landschaftsräume bietet. In der Biodiversitätsstrategie von Nordrhein-Westfalen wird unter anderem „kurzfristig die Verwendung von regionalem, standortgeeignetem Saatgut bei der Neuanlage und Renaturierung von artenreichem Grünland“ empfohlen. So sind neben Naturschutzverbänden und Artenschutzinitiativen auch Städte und Kreise an der Verwendung von regionalem Saatgut zur Umsetzung von Natur- und Artenschutzmaßnahmen interessiert. Aufgrund eines wachsenden Bewusstseins in der Bevölkerung für Umwelt- und Naturschutz möchten zudem viele Menschen auch in ihrem privaten Umfeld ihren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland leisten und benötigen dafür kleinere Mengen an geeignetem Saatgut.
Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt
Im Rahmen des Projektes „Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt“ unterstützen die Biologischen Stationen Mittlere Wupper, Rhein-Berg und Oberberg zusammen mit dem Naturpark Bergisches Land die Produktion von Regiosaatgut durch Saatgut-Sammlung und Zwischenvermehrung von ausgewählten Wildkrautarten des Bergischen Landes. Das gewonnene Saatgut kann dann von Landwirten der Region angebaut und an einen Saatgutvertrieb weitergegeben werden.
Langfristige Ziele des Projektes sind der Erhalt und die Wiederherstellung bunter, artenreicher Wiesen und Grünflächen in der freien Landschaft des Bergischen Landes.